Montag, 14. April 2008

Lafontaine: zu doof für Marx

Die Welt im Interview mit Lafontaine:

http://www.welt.de/politik/article1897354/Das_Manifest_des_Chef-Linken_Oskar_Lafontaine.html?page=3#article_readcomments

WELT ONLINE: Ins neue Parteiprogramm wollen Sie „zwei bis drei Passagen aus dem Kommunistischen Manifest“ aufnehmen. Welche?
Lafontaine: ...die Bourgeoisie, das Kapital „hat die persönliche Würde in den Tauschwert aufgelöst und an die Stelle der zahllosen verbrieften und wohl erworbenen Freiheiten die eine gewissenlose Handelsfreiheit gesetzt. Sie hat, mit einem Wort, an die Stelle der mit religiösen und politischen Illusionen verhüllten Ausbeutung die offene, unverschämte, direkte, dürre Ausbeutung gesetzt. Alles Ständische und Stehende verdampft, alles Heilige wird entweiht, und die Menschen sind endlich gezwungen, ihre Lebensstellung, ihre gegenseitigen Beziehungen mit nüchternen Augen anzusehen.“
Lafontaine ist demnach gar nicht so ein Linker. Seiner Villa gemäss ist er ein antikapitalistischer Feudalherr. Denn die Zeilen aus dem Manifest sagen nur: Die alte scheinheilige Feudalausbeutung wird ersetzt durch eine ehrlichere. Denn, man möge sich erinnern, im 19. Jahrhundert fegte „die Bourgeoisie“ die Feudalherren weg (keine Interpretation, das ist Marx). Für Marx eigentlich: Gut so, nur, die Ausbeutung müsste man jetzt, wo sie demaskiert ist, irgendwie loswerden. (schaut euch mal den letzten Satz an)
Dass Lafontaine gerade diese Zeilen in Parteiprogramm der Linken reinmachen will…
Nun ja, Marx hat ja selber über die Marxisten gesagt: Wenn die Marxisten sind, dann bin ich keiner.

Freitag, 11. April 2008

"Ausschlussfrage stellt sich nicht"

Vor den Grossratswahlen am letzten Sonntag wollte sich die Thurgauer SVP offiziell noch nicht zur Diskussion um Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpfäussern. Die staatstragende Partei war gespalten. Leute wie J.alexander Baumann, dem Thurgauer Statthalter der Christophs, äusserten sich abfällig über die Bündnerin, während andere sich mit mässigenden Worten vernehmen liessen. Jedoch, einerseits im Kanton eigentliche Staatspartei zu sein, andererseits im Bund Opposition spielen zu müssen, bereitete kürzlich schon SVP-Erziehungsdirektor Jakob Stark in anderem Zusammenhang Mühe. Als Toni Brunner zu kantonalen Referenden gegen die Bildungsharmonisierungsvorlage Harmos aufrief, war dieser sichtlich wütend. Dass sich die schweizerische Partei in Kantonale Angelegenheiten einmischte, und zwar genau in seine, passte ihm überhaupt nicht - ihm der doch betonte, die Oppositionsrolle im Bund sei begründet. Im Thurgau aber, Gott behüte, bebaut die SVP ihr ureigenes Gärtchen.
Nun hat sich der Vorstand der Thurgauer SVP also endlich gäussert. "Wir respektieren die Wahl von Frau Eveline Widmer-Schlumpf zur Bundesrätin", schreibt sie in einem Communiqué. Tönt doch nett. Nur was heisst das denn? Dass sich die Thurgauer SVP völlig im Klaren ist, dass das bereits geschehen ist? Andererseits ist sie ja weiterhin "unzufrieden über die abwahl von Christoph Blocher und über die Rolle, die Widmer-Schlumpf dabei gespielt hat."
Das Communiqué ist zudem alles, worauf sich der Kantonalvorstand in knapp vier Stunden Sitzung hat einigen können. Vizepräsident Marcel Schenker durfte als einziger Stellung nehmen, und der Rest des Vorstandes blockte brav. Was Schenker auf Rückfragen antwortete blieb indessen dürftig. Nur per Mail wollte er Fragen beantworten, und das tat er nicht mal. Er erlaube sich, auf die Fragen zusammenfassend zu antworten. Seine Zusammenfassende Antwort war die Wiederholung des Communiqués.
Darin stand auch, die SVP Thurgau fordere von den Beteiligten eine einvernehmliche Lösung. Während sich die Bündner und ihre Bundesrätin stur stellen und die Parteispitze aus allen rhetorischen Rohren feuert, während ein Ausschlussverfahren also immer wahrscheinlicher wird, fordert die Thurgauer SVP eine einvernehmliche Lösung. Dass sich die Thurgauer SVP nichts anderes gewohnt ist, kennt man ja aus der Kantonalpolitik. Konkordant bis zum Kuschelsex ist diese, niemand will hier irgendwem weh tun. Alle haben sich lieb in Mostindien, auch die SVP. Der einzige Punkt, den Marcel Schenker als "Antwort" schreibt, der nicht im Communiqué enthaltenen ist, lautet: da die Entwicklung offen sei, stelle sich die Ausschlussfrage nicht. Die Thurgauer SVP ist zwar, laut Communiqué, besorgt über Entwicklung, Stil und Umgangston auf Bundesebene. Aber das ganze Ausmass der besorgniserregenden Entwicklung will sie nicht begreifen.
Falsch: Darf sie nicht begreifen. Wie auch andere Sektionen mit einem "moderaten" Flügel, so will auch die SVP Thurgau vor allem eines: Sich nicht festlegen. Denn täte sie das, müsste sie sich entscheiden. Ist sie - wie im Thurgau oder in Bern - recht eigentlich "Der Staat", ist sie die Partei, zu der alle Gemeindeammänner, Bauern und Gewerbler praktisch aus Genetischen Gründen gehören, kurz: ist sie die BGB? oder ist sie die neue SVP. Die SVP der Überzeugungstäter und Kampagnen?
Eine Entscheidung können sich aber vor allem die "moderaten" nicht leisten. Denn die Wähler, die wählen vor allem letzteres. Ohne die schweren Geschütze der Mutterpartei können sich die Konkordanzpolitiker alter Schule ihrer Ämter nicht mehr sicher sein. Laufen sie nicht mehr unter der Brand SVP, laufen sie ins Abseits. Und das können sie sich nicht vorstellen, gerade sie nicht. Deshalb werden sich nicht nur die Thurgauer, auch weiterhin die Berner, Aargauer oder wer auch immer, nicht so richtig festlegen wollen. Und hoffen, der Sturm ginge irgendwann vorbei. Auf dass sie ihre Pflänzchen wieder in Ruhe giessen können.
Toni wird es ihnen nicht einfach machen.

Donnerstag, 10. April 2008

Die ersten werden die letzten sein

Seit 1779 braut die Brauerei Schützengarten Bier. Sie ist damit die älteste noch existierende Brauerei der Schweiz - mit 171 000 Hektolitern jährlich nun auch die grösste, die noch nicht Heineken oder Carlsberg gehört. Denn der Holländische Frischwasserkonzern Heineken übernimmt nun Eichhof, die diesen Titel bislang innehatte. (Ja, ich bin immer noch gegen Wirtschaftspatriotismus. Hier liegt aber vielmehr Bierpatriotismus vor. Das ist ETWAS GANZ ANDERES!!)
Dass dies noch lange so bleiben könnte kann man hoffen. Schliesslich verfügt Schützengarten in der Stadt St.Gallen und - in geringerem Masse - von Rorschach bis Oberthurgau praktisch über ein Monopol. Ausserdem beliefert die Brauerei regelmässig nicht nur das St.Galler Open Air sondern auch den heiligen Rasen des Espenmoos - nicht das schlechtestbesuchte Stadion der Schweiz.
Das dürfte noch etwas so bleiben. Ich erinnere mich gerne an eine Begebenheit vor zwei drei Jahren, kurz vor dem Open Air:
Um Bier zu kaufen, wurde ich damals der Migros untreu und begab mich zum Coop. Dort hoffte ich, ein paar Bier in PET-Flaschen zu bekommen, um diese mit aufs Gelände zu nehmen. Überrascht stand ich in der Bierabteilung des Grossverteilers und blickte auf einen Berg PET-Bierflaschen einer unbekannten deutschen Brauerei. Irritiert fragte ich den nächstbesten Coop-Mitarbeiter, ob es den von der lokalen Gülle auch welches in Plastikflaschen gebe. Die Frage, auf die dieser wohl gewartet hatte: Dass er sich als Angestellter eines Saftladens wähnte brachte er mir durch seine helle Aufregung schnell rüber. Er habe es ja immer gesagt: Die St.Galler, die wollen Schüga, nichts als Schüga, sicher nicht dieses Schwabenzeug. Er werde das dem Chef nochmals mitteilen. Jedenfalls, er wisse auch nicht wer die Bestellung getätigt habe, der habe keine Ahnung...
Es ging noch einige Zeit so weiter, bis ich den laden schliesslich verliess, ohne Bier. Hätte er einfach "Nein" gesagt, zugegeben, ich hätte mich wohl zähneknirschend mit der Schwabenpisse abgefunden. So aber konnte ich dem sympathischen Verkäufer ja nicht widersprechen. Nein, natürlich trinke ich nichts anders, wenn irgend möglich (irgendwo hab ich noch welches gefunden).
Jedenfalls: Eine andere freudige Nachricht hat noch unklare Auswirkungen auf den Schüga-Konsum. Der FC St.Gallen feuert Jürgen Gjasula, die hasenfüssige Diva im Mittelfeld, einst als neuer Ballack angepriesen. Klar - jetzt können wir wieder gewinnen. Doch was ist wichtiger? Die Zunahme des Freudenbier-Konsums oder die Abnahme des Frustbier-Konsums? Wir werden sehen.

Freitag, 4. April 2008

Schönreden und Weiterwursteln

Die Sozialdemokraten müssten sich zurzeit eigentlich im stillen Kämmerchen beraten. Den Kopf zerbrechen darüber, weshalb sie spätestens seit den Zürcher Kantonsratswahlen 2007 nur noch von Katastrophe zu Debakel eilen. Liest man sich durch die neuste Ausgabe des Parteiblättchens „links.ch“, erhält man aber den Eindruck, dies sei keineswegs notwendig, im Gegenteil: Die SP sei vielmehr auf dem richtigen Weg.
Thomas Christen zum Beispiel macht sich im Editorial schon mal an die grosse Umdeutung. In St.Gallen habe weder die SP verloren, noch die SVP gewonnen, so der Generalsekretär. Er vergleicht die Resultate mit denen der Nationalratswahlen im Oktober und triumphiert: Die SP hat ganze 0.5 Prozentpunkte dazu gewonnen, die SVP ein eigentliches Debakel erlitten: Sechs Prozentpunkte weniger notiere Tonis Sturmstaffel an den Kantonsratswahlen. „Die SP hat sich auf tiefem Niveau nur ganz leicht steigern können. Das ist sehr enttäuschend“, gibt er wenigstens zu. Dass das Resultat der Kantonsratswahlen trotz des halben Prozentpünktchens einer Abstrafung gleichkommt – davon ist nichts zu spüren. Nein, die SP ist auf gutem Weg.
Davon ist auch der neue Parteipräsident Christian Levrat überzeugt. Der Gewerkschafter, von dem sich die Genossen neuen Schwung erhoffen, jubelt: „Allein gegen alle bürgerlichen Parteien und gegen die Finanzübermacht der Economiesuisse haben wir am 24. Februar beinahe das Referendum gegen die Unternehmenssteuerreform gewonnen.“ Knapp vorbei ist auch daneben, ein schöner Spruch, dessen Bedeutung Levrat nicht zu kennen scheint. Vielleicht schwingt da aber schon etwas Resignation mit: Gewinnen können wir eh vergessen, deuten wir aber „fast gewonnen“ zu „Sieg“ um, müssen wir aber wenigstens nicht heulen. Autosuggestion nennt man das.

Daneben: Ein Bericht über die Niederlage in St.Gallen. „Mit einem lebendigen Wahlkampf hat die SP des Kantons St.Gallen gezeigt, wo ihre Politischen Inhalte „Klar besser“ sind. Trotzdem setzte es bei den Kantonsratswahlen eine herbe Niederlage ab“, so beginnt der Lead des Berichts („Klar besser“ war der Wahlkampfslogan der Partei). Im zweitletzten Absatz wird ein weiteres chronisches Sozialdemokratisches Leiden zumindest zwischen den Zeilen zur Sprache gebracht. „Nach Selbsteinschätzung hat man alles richtig gemacht. Bleibt die Frage, was zu tun bleibt. Manche sprechen von Auswandern und glauben sich im falschen Kanton.“ Die Selbsteinschätzung ist eben nicht immer ein guter Massstab, bei Parlamentswahlen sowieso nicht: Da heisst der Massstab nun mal Wählerstimmen.
Dass die SP aber auf dem falschen Dampfer sein könnte, sprich eben nicht „klar besser“ ist, das kommt den Genossen nicht in den Sinn. Nein, sie hätten lieber ein anderes Volk, in einem anderen Kanton. Das wird ihnen nichts nützen. Den Nationalratswahlen nach zu urteilen, ist die Partei überall im falschen Kanton. Als nächstes ist der Thurgau an der Reihe. Die grosse frage ist, wie viel die SP verlieren darf, dass Präsident Peter Gubser seine Frauen und Mannen am Sonntagabend doch noch zu Siegern erklärt.