Donnerstag, 22. Mai 2008

Ein feuriger Abschied




Als Lulic zum 0:2 für die Tessiner Gäste einschob, interessierte sich zumindest in der Südkurve niemand mehr für das Spiel. In der 83. Minute marschierten über hundert Sicherheitskräfte ins Stadion, stellten sich vor allem vor Süd- und Ostkurve auf, ausgerüstet mit allem, was ein modernes Polizeiarsenal zu bieten hat. Statt „Hopp Sanggalle“ skandierte die Kurve „Wir wollen keine Bullenschweine“ und „Fussballfans sind keine Verbrecher“.
Als das Spiel endlich abgepfiffen wurde, blieb es lange ruhig – nein, ruhig ist vielleicht das falsche Wort. Zelli (Fussballgott), der auf dem Rasen den Abstieg betrauerte, wurde gefeiert, bis er sich schliesslich zwischen den Robocops hindurchzwängte und sein Leibchen in die Kurve warf. Ein paar letzte „Hopp Sanggalle“ ertönten, zum Abschied wurde ein „Espenmoos“ gesungen, FCSG-Verwaltungsratspräsident Fröhlich verwünscht. Wer auf der Gegentribüne auf den Sitzplätzen sass, montierte sie ab, um sie nach Hause zu nehmen, oder sie bei den Stehplätzen zu verteilen. Ansätze für ein Fest, auf das eigentlich alle hoffen. Die Kurve wartete.
Und es kam nichts. Der FCSG war geschlagen, ja, aber vor Allem: Das Espenmoos, dieses so liebgewordene wie lottrige Provisorium aus Baugerüsten und morschen Brettern, ist nicht mehr. Dieses Ereignis irgendwie zu feiern, mit Freibier, einer neuen Cheerleaderchoreo oder Feuerwerk – das scheint den Verantwortlichen nicht in den Sinn gekommen zu sein. Nicht einmal eine Totenrede gab’s, nichts. Bei den Fans, die Jahr für Jahr, Heimspiel für Heimspiel, Eintritt bezahlen und die grünweisse Elf trotz in letzter Zeit unterirdischem Fussball bedingungslos unterstützen, bedankt man sich wie üblich irgendwann in der zweiten Hälfte: „Der FC St.Gallen bedankt sich bei 11300 Fans“, ausverkauft, wie immer, so kurz vor dem Tod des St.Galler Hexenkessels. Mehr kommt da nicht.



Denn: Fans sind in erster Linie mühsam. Sie kommen ja eh wieder, egal wie schlecht gespielt wird, da muss man sie auch nicht so behandeln, wie andere Firmen (Der FCSG ist immerhin eine AG) ihre Kunden. Die Fans kann man behandeln, wie man zur Zeit alles behandelt, das nicht ins Ballenbergbild passt: Man behandelt sie in erster Linie als Sicherheitsrisiko.
Und stellt ihnen wegen einer streitlustigen Hundertschaft unter ihnen, deren Existenz und Hirnlosigkeit ich gar nicht bestreiten will, eine hochgerüstete Hundertschaft Polizisten entgegen. Bevor irgendwas passiert ist. Dabei haben wir in der Schweiz zum Glück immer noch Erfolgsstrafrecht. Hoffte ich.
Schon im Vorfeld haben alle auf Krawalle gewartet. Die Stadtpolizei berichtete von der Verstärkung aus dem ganzen Ostschweizer Polizeikonkordat, die sie sich holen.
Gerold Hochreutener, der Sicherheitschef beim FC St. Gallen, spricht von einem «High-Risk-Spiel». In und um das Stadion sei ein verstärktes Sicherheitsdispositiv vorgesehen. Man wolle niemanden provozieren, doch je nach Ausgang der Partie rechnen die Verantwortlichen mit unterschiedlichen Reaktionen der Fans. (tagblatt, 22.5.)



Endlich kamen sie, die langersehnten Krawalle. Lange mussten die Polizisten sich mit Scharmützeln am Zaun zwischen Süd- und Ostkurve begnügen, bei denen sie äusserst zielgerichtet vorging. (http://www.blick.ch/sport/fussball/superleague/am-bierstand-von-gummischrot-getroffen-91330)
Doch so gegen elf, flogen sie endlich, die Steine und Stadionreste, Gummischrot und Tränengas flog zurück. Um elf zogen sich die Polizisten zurück. Weil sie gemerkt haben, dass es nichts zu verteidigen gibt, dachten wir. Ein taktischer Schritt wahrscheinlich. Endlich taten ein paar der übriggebliebene das, was von ihnen erwartet wurde, sie stürmten das Spielfeld, demontierten die Bandenwerbung, rissen das Netz vor der Kurve herunter und steckten einen Haufen Abfall in Brand. Dann ging ich auch mal. Später soll die Polizei noch mal vorgerückt sein, mit Tränengas und Gummischrot. Ein grossartiger Abschied.



Bilder: monarchie.ch

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Lieber Wayne
Das muss weh getan haben, Abschied vom alten Espenmoss und die Fortsetzung in der leeren AFG-Arena...
Blogge weiter so, eine Freude zu lesen