Montag, 22. Oktober 2007

Ein schöner Sonntag

Im Frühling 2004, nur kurz nach den letzten Nationalratswahlen, im Zuge einiger gewonnener Referenden, fühlte sich die SP und ihr Präsident noch stark. Falls sie 07 nicht wählerstärkste Partei würde, überlege er sich seinen Rücktritt, sagte Fehr damals dem Blick. Eine klare Ansage.

Fast genau vier Jahre später. Die Partei des Schaffhausers hat ihr Ziel nicht erreicht. Im Gegenteil: Die Sozialdemokratie ist in einem beinahe historischen Tief angelangt , sie ist unter die 20%-Marke gerutscht und damit näher an den seit Jahren schwindsüchtigen Mitteparteien als an ihrem Rivalen, der SVP.
„Die SP hat die Stimmen an die Grünen verloren, weil der Klimawandel (…) ein dominantes Thema ist“, sagt er dem Tages-Anzeiger. Was an seinem Wahlkampf schief gelaufen sei, das frage er sich auch. Tut er eigentlich nicht, schon im nächsten Satz hält er die ungleichen Spiesse für „ein wesentliches Element“. Mit Spiessen meint er Geld für Wahlkampf. Da hatte die SVP unbestritten mehr, 15 Millionen, heisst es.
Nur: Wenn man die Wähler allein mit Wahlkampfgeld kaufen könnte, hätte die SVP die absolute Mehrheit – dabei hat sie weniger Wähler dazu gewonnen als Grün und Grünliberal mit zusammen wohl weniger Geld als die SP.

Gestern, 80 Kilometer östlich von Leutschenbach. Zwei Wochen nach der blamablen Niederlage gegen Thun auf heimischen Terrain spielt der FC St.Gallen gegen den Nati-B Club des trostlosen Vororts Gossau. Man hatte vor zwei Wochen den Trainer gefeuert. Das Spiel gegen Gossau ging saftig in die Hose, die Grün-Weissen boten eine Performance, die nur mit schärfstem Sarkasmus auszuhalten war. „Weiler Raus!“ tönte es von allen Seiten, der zum Trainer ernannte Sportchef, verantwortlich für Wahl dreier gescheiterter Trainer und eine verfehlte Transferpolitik, wird nieder geschrien. Er wird gehen müssen, keine Frage. Das ist Fussball: Gewinnt man nichts, muss der Trainer gehen. Gewinnt man nicht, muss man seine Fehler analysieren und daraus Konsequenzen ziehen,.

Herr Fehr und seine Mannschaft aber ziehen keine Konsequenzen.Aus seinem Lager hörte man den ganzen Wahlnachmittag Aussagen wie: Man ist gut positioniert, wir werden einfach nicht gehört. Dabei machen wir doch genau so viel für den Klimawandel wie die Grünen, usw.
Ach ja: Der amerikanisierte, personalisierte Wahlkampf, der sei auch noch schuld. Das mache die SP halt nicht. Nichts könnte falscher sein, die einzige Botschaft, die ich von der SP während dieses Wahlkampfs gehört habe, war: Wir sind nicht die SVP und wir wollen Blocher nicht wählen, im Fall. Wie wenn das irgendwen kümmert (wie sie damit die Nomination eines Sozialdemokraten in den BR legitimieren wollen, der ihre Linie vertritt ist mir auch schleierhaft.). Das Datum seines Rücktritts sei der einzige Geheimplan, den es gebe, meinte Fehr am Sonntagabend. Von seinen Frauen und Mannen forderte den auch keiner. Die SP ist ja nicht schuld an ihrem eigenen Schicksal.

Fazit: Herr Fehr jammert, er sucht die Fehler woanders. Eine kritische Selbstbetrachtung täte ihm und seiner Partei gut. Ja, sie hat Abstimmungen gewonnen in den letzten vier Jahren. In den ersten zwei zumindest. Referenden, gegen Reformen bei der AHV oder gegen Steuersenkungen. Auch sonst war die SP in den letzten vier Jahren eine Nein-Partei: Nein gegen mehr Sonntagsverkauf, nein zu finanzierbarer IV, Nein zu Gentechnologie.
„Nein“ ist nun nicht besonders sexy. „Nein“ ist ein wichtiger Grund für die unsexyness der SVP: Eine Partei, die immer nur „Nein“ sagt, macht den Eindruck, keine Vision zu haben und keine Ideen und keine neuen Lösungen, die in einer sich veränderten Welt doch dringend nötig wären: Eine „Nein“-Partei präsentiert sich als konservative Partei.

Zehn Minuten vor Schluss, der FC Gossau schiesst das 1:0. Einige mögen es nicht weiter mit ansehen und gehen. „Wo isch üsen FCSG“ schallt es von hinten. Enttäuschung. Wie kann man „Hopp Sanggallä“ rufen angesichts dieser Performance? Nichts geschieht, der Favorit steht tatenlos auf dem Feld herum. Keine Akzente, keine vernünftigen Aktionen. Die zweite blamable Leistung in Folge. Man muss gehen, die Tribüne verlassen. Wofür bezahlt man noch, hier im Espenmoos? Wie viele Saison-Abos landeten gestern im Abfallberg unter der Tribüne? Nächste Woche gehen wir Gossau schauen. Die spielen wohl nächstes Jahr in der AFG-Arena. Wer noch mal war der 2.-Ligist in Grün-Weiss?Oder kommt Amoah zurück? Zamorano?


Themen setzen, Ideen präsentieren nach innovativen Lösungen suchen, dafür schien die „progressive“ Kraft in den letzten Jahren nicht zuständig zu sein. Vor allem das Setzen der Themen überliess sie ihrem rechten Gegenpol, reagierte auf deren Vorstösse, statt selber zu agieren. Sieht auch eher konservativ aus.
Zu Zeiten eines gewissen Walliser Hotelliers sah das noch anders aus. Es schien einen Schlagabtausch zu geben, die SP setzte Themen, sie schien eine Vision zu haben: Für Öffnung und Strukturwandel, und dafür, dass möglichst viele davon profitieren können.
Unterdessen ist sie im Würgegriff der Gewerkschaften gefangen, ohne die sie sich keine Kampagnen mehr leisten können. Der Nachwuchs der urbanen, gebildeten Mittelschicht, auf die die Sozialdemokratie lange ein Abo hatten, laufen ihnen davon. Zu den Grünliberalen zum Beispiel, weil sie FDP-Wählen noch für anrüchig halten (was auch nachvollziehbar ist). Alle Abos laufen aus, erneuert man sie nicht.

Herr Weiler wird wohl in Bälde gehen müssen. Herr Fehr aber bleibt. Leider wird er seine Partei von Niederlage zu Niederlage führen und sie auf das viele Geld der Gegner schieben. Er und seine Partei werden keine Konsequenzen ziehen. Schweizerische Politik ist eben nicht Fussball. Und Herr Fehr ist nicht Herr Weiler oder Herr Fringer. Herr Fehr ist ja argumentativ gut, und er kennt die Dossiers, heisst es.
In anderen Europäischen Ländern war das mal anders. In England hat ein Tony Blair seine Streikpartei mehrheitsfähig gemacht. In Deutschland war es eine rot-grüne Regierung, die den Grundstein dringend nötiger Reformen legte. Diese Sozialdemokraten könnte ich wieder wählen.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

jaja die svp und der fcsg... die vorderste reihe beim sargtragen einer geöffneten ostschweiz. und im vergleich zu den eben nicht erfolgenden personellen konsequenzen bei den verlierervereinen kann der ueli einfach sagen, dass er zur konkordanz stehe, und nimmt dann mehr oder minder allen kritikern auch noch die letzten argumente aus dem mund... ein gegen-die-svp-wahlkampf ist eben – wie gesagt – konservativ und nützt niemandem etwas... ausser vieleicht dem fcsg – weil dem würd globbes im moment alles etwas nützen... das einzig beruhigende: mehr svp wird in den nächsten wahlen nicht gehen. weil jetzt müssen sie langsam mal was konstruktives unternehmen in den räten. ob sie das wohl können?